Disclaimer: In diesem Beitrag geht er um Drogenkosum und tötliche Überdosis. Lese diesen nicht, wenn du mit diesem Thema schwer umgehen kannst!

Es fing an wie jeder normale Abend. Wir haben uns verabredet um feiern zu gehen, doch niemand rechnete mit dem Schlimmsten.

Es war ein langer Tag für mich, da ich nach einer langen Krankheitsphase  gerade erst wieder gesund war und an diesem schicksalhaften Freitag auch noch arbeiten war. 

Ich wollte eigentlich zu Hause bleiben, doch habe mich überreden lassen doch mit nach Karlsruhe zu fahren um einen befreundeten DJ auf der Veranstaltung zu unterstützen. Ich hatte am nachten Tag um acht Uhr Unterricht und wollte daher nicht länger als zwei Uhr nachts bleiben.

Mein Freund holte mich um circa 21:00 abends ab. Danach fuhren wir zu einem guten Kollegen um diesen auch einzusammeln. Er sollte in einigen Tagen in Therapie und wollte noch einmal Feiern gehen. 

„Er kam uns relativ nüchtern vor…“

Da ich seine Konsumgeschichte, welche aus suizidalem Konsumverhalten mit Opiaten und Benzodiazepinen bestand, kannte, war ich verwundert, dass er mitkam, doch machte mir nicht groß Gedanken, er muss ja gut drauf sein, wenn er mit feiern geht. Als wir ihn, nennen wir ihn Noah, abholten, war er guter Dinge. Er kam mir relativ nüchtern vor und erzählte uns, dass er lediglich ein wenig Kokain gezogen hatte bevor er sich für den Abend bereit gemacht hatte. 

Er brachte zwei Flaschen mit, eine 1,5 Liter Flasche und eine 0,5 Liter Flasche. Die große Flasche war mit „Lean“ einem Hydromorphin Gemisch gefüllt und die kleine mit Clonazolam, ein Benzodiazepin, welches auch in der Medizin nicht verwendet wird, da es sehr schwer zu dosieren und hochpotent ist, was schnell zu einer Überdosis führen kann.

Nachdem wir noch zwei weitere Mitfahrerinnen eingesammelt hatten, ging es los nach Karlsruhe. 

Auf der Fahrt haben wir ein paar Nasen Speed gezogen und bei einer wurde mir schlecht und ich musste mich aus dem Fenster übergeben. Noah kümmerte sich um mich und gab mir Wasser, da er zu dem Zeitpunkt noch sehr frisch war, trotz seinem stetigem Konsum der beiden mitgebrachten Substanzen in den Flaschen.

In Karlsruhe angekommen sah die Situation schon anders aus, da die beiden Jungs aus unserer Gruppe schon gut abgeräumt waren und daher unglaublich lange brauchten bis wir uns endlich auf den weg zum Club machen konnten. Als wir endlich losgehen konnten war ich schon etwas angefressen, denn es war mittlerweile halb elf abends und ich wollte in drei Stunden schon wieder auf dem Heimweg sein.

Am Club angekommen, mussten wir noch einen Corona-Test machen, da der Eintritt damals nur mit einem Test vor Ort und einer vollständigen Impfung erlaubt war. Wir haben vor dem Club noch viele Bekannte getroffen, bis wir eine große Gruppe geworden waren.

Wir standen in einer unübersichtlichen Schlange für den Test an und verloren uns alle aus den Augen. Die Mädels und ich waren vor den anderen fertig und warteten am Clubeingang, eine Zigarette rauchend, auf die anderen, da sie etwas hinter uns anstanden und sich weitere Gäste vor sie vordrängelten.

Ich wollte einfach nur in den Club, da es mittlerweile nach 23 Uhr war. Mein Freund, der weiterhin in der Schlange für den Corona Test anstand, rief und winkte mich zu sich her. 

Er hatte sein Handy am Ohr, welches er mir gab, da er gleich zum Testen drankam. Der Anruf kam von Noah, doch am Hörer antwortete mir eine fremde männliche Stimme. Er sagte mir, dass er und sein Kollege Noah ein paar Straßen weiter auf dem Boden liegend gefunden haben und dass sie ihn nun mit Wasser und einem Proteinriegel aufpäppelten und auf ihn aufpassten bis wir ihn dort abholen können. Zu dem Zeitpunkt hatte von uns noch keiner bemerkt, dass Noah verschwunden war in dem Gewimmel. 

a closeup shot of a person puffing on a cigarette surrounded with smoke

Nachdem ich herausgefunden hatte, wo ich ihn und seine temporären Aufpasser finden konnte, ging ich mit den zwei Mädels vor um ihn abzuholen, mein Freund kam nach sobald er es endlich geschafft hatte, einen Corona Test zu machen.

Als wir bei Noah ankamen, saß er, glücklich am Proteinriegel knabbernd, vor einer Bar auf den Stufen. Die zwei Jungs, die ihn gefunden hatten, sahen sehr besorgt aus und fragten ob denn alles soweit gut wäre, was wir bejahten, da wir Noah schon oft in solchen und gravierenderen Zuständen gesehen hatten. Wir Mädels liefen vor in Richtung Club, Noah wurde gestützt von einer der zwei. Unser Plan war, Noah im Club auf die Couch im Backstage Bereich zu bringen, da wir die DJ’s kannten. Dort wäre er im Warmen und vorerst sicher, damit er etwas ausnüchtern und sich erholen konnte. 

Doch vor dem Club angekommen ging es stetig bergab. Noah konnte sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn die Augen offen halten oder Sätze zu bilden. Wir haben versucht ihm Wasser zu trinken zu geben und ihn dazu zu bewegen sich auf eine Bank vor dem Club zu setzten, was erfolglos war.

Noah fragte mich, ob wir in seine WG, welche in einer anderen Stadt liegt, gehen könnten, worauf ich nur antworten konnte, dass wir in Karlsruhe sind und das leider nicht möglich ist, da wir doch in den Club gehen wollten. 

Mittlerweile hatten auch weitere Bekannte, welche noch vor dem Club standen, mitbekommen, dass wir ein großes Problem mit Noah hatten und versuchten zu helfen. Da wir durch Noah immer mehr  Aufmerksamkeit auf uns zogen, nahm mein Freund ihn beiseite und sagte uns Mädels, dass wir etwas Abstand halten sollten. 

Durch die Nähe zum Club und zu den Türstehen, überhörten wir, dass sie schon entschlossen hatten, dass Noah auf keinen Fall hineingelassen wird. 

Ich teilte das direkt meinem Freund mit und wir beschlossen, dass es das Beste wäre Noah in unseren Wagen zu bringen, damit er sich auf der Rückbank etwas erholen konnte, bis wir wieder fuhren. 

Es war mittlerweile nach Mitternacht und ich wurde stetig gereizter, da ich in weniger als zwei Stunden schon wieder auf dem Heimweg sein wollte und mit der gesamten Situation sehr überfordert war.

Mein Freund und ich brachten Noah an den Wagen und mein Freund bleib vorerst als Aufpasser bei ihm, damit wir endlich in den Club gehen konnten. 

Im Club war wirklich gute Stimmung und die Musik war antreibend und euphorisch, ich habe viele Freunde und auch den befreundeten DJ getroffen, jedoch konnte ich das nur für eine knappe halbe Stunde genießen. Mein Freund hatte seinen Impfausweis vergessen und kam deswegen nicht in den Club rein und ich musste nun helfen. Es war mittlerweile nach ein Uhr nachts und ich wollte am liebsten schon wieder nach Hause, da der Abend bis zu diesem Zeitpunkt anstrengend und nervenaufreibend war. 

Ich ärgerte mich, dass ich nicht mit meinem eigenen Auto gefahren war, da ich nun auch vor der Herausforderung stand, Noah irgendwie nach Hause zu bringen und das voraussichtlich alleine.

Ich versuchte mir eine Lösung für das Impfausweis-Problem zu finden und schlug vor nachzuschauen, ob Noah seinen Ausweis dabei hatte. Wir gingen zum Auto und sahen nach Noah, der tief und fest schlief und Geräusche von sich gab. Nach einigem Suchen stellten wir fest, dass auch Noah keinen Impfnachweis dabei hatte. Er wäre also so oder so nicht in den Club hineingekommen.

Gegen drei Uhr nachts, kam mein Freund dennoch mit Hilfe unseres befreundeten DJs durch die Hintertür in den Club

hinein. Ich konnte mich jedoch nicht mehr entspannen, da mir die bevorstehende Heimreise zunehmend Sorgen bereitete. Nach einer Viertelstunde wurde ich bereits nervös und bekam Panik. Ich brauchte den Autoschlüssel und konnte meinen Freund nicht finden und im Chat wollte er mich um eine weitere Viertelstunde vertrösten. Da wurde mir alles einfach zu viel und fing an zu weinen. Ich hatte bereits in mittlerweile vier Stunden Unterricht und musste mich noch irgendwie um Noah kümmern und das alleine, da die anderen doch noch länger bleiben wollten. Einige Freunde und andere Clubgäste wurden auf mich und meine kleine Panikattacke aufmerksam und engagierten sich, mich zu beruhigen, meinen Freund inklusive Autoschlüssel ausfindig zu machen und auch eine Lösung für das „Noah-Problem“ zu finden.

Letztendlich kam mein Freund mit dem Schlüssel und ein Bekannter von uns, Arthur, der ein paar Tage zuvor seine Oma verloren hatte und auch nur einige Stunden feiern gehen wollte, um sich abzulenken und zu sozialisieren, erkläre sich bereit mir mit Noah zu helfen. Er bot an, Noah bei sich unterzubringen, was sich nach einem guten Plan anhörte, da Arthur in der Pflege arbeitet und in Notfällen weiß, wie man handeln muss.

Ich war sehr dankbar dafür, da ich mittlerweile unglaublich müde, ausgelaugt und verzweifelt war und jede Hilfe wie ein Segen erschien.

Arthur und ich machten uns dann zügig auf den Weg, damit Noah an einem sicheren Ort sein und ich eventuell noch etwas Schlaf vor dem Unterricht bekommen konnte.

Die Rückfahrt verlief ereignislos, Noah schlief und gab Geräusche von sich, die wir als Träume deuteten. 

Bei Arthur angekommen versuchten wir, Noah zu wecken, um ihn in die Wohnung zu bringen. Er ließ sich jedoch nicht wecken, gab aber Geräusche des Protestes von sich.

Wir entschieden uns Noah in die Wohnung zu tragen. 

Behutsam trugen wir ihn Stück für Stück in die Wohnung hinein und waren äußerst vorsichtig. In der Wohnung angekommen, legten wir ihn in der stabilen Seitenlage ab und rauchten noch eine Zigarette. Als wir uns ihm wieder widmeten, war seine Atmung stockend und seine Lippen blau. Arthur, welcher eine Medizinische Ausbildung hat, begann mit der Herz-Rhythmus Massage bis Noah wieder normal atmete. Er wies mich an nach Hause zu gehen um noch etwas Ruhe vor dem Unterricht zu haben, da es mittlerweile kurz vor 5 war. Ich wusste Noah in guten Händen und fuhr nach Hause, noch auf dem Heimweg schrieb mir Arthur, dass der Ersthelfer und Krankenwagen schon vor Ort seien und ich mir keine Sorgen mehr machen muss und dass alles gut wird.

Gegen sieben Uhr früh klopfte mein Freund an meinem Fenster, sah mich mit verzweifeltem Blick an und bat mich ihn in die Arme zu nehmen. Ich war verwirrt und sagte ihm, dass doch alles gut sei. Doch das war es nicht, ganz und gar nicht. Er eröffnete mir, dass Noah verstorben ist und ich brach in Tränen zusammen, konnte es kaum glauben.

Cardiopulmonary resuscitation. Rescue team (doctor and a paramedic) resuscitating the man on the street.

Die Sanitäter haben über eine Stunde versucht ihn wiederzubeleben, doch ohne Erfolg. Mein Freund fuhr vom Club direkt zu Arthurs Wohnung als er erfuhr was geschehen war und wurde auch Vorort von der Polizei verhört.

Es war unglaublich schwer, seinen Eltern vor Gesicht zu treten und unserem Freundeskreis zu erzählen was vorgefallen war.

Noah hatte mir an dem Abend noch gesagt, dass ich immer so gut zu ihm sei, doch ich war nicht gut genug, um ihn zu retten.

Der Tod kann jeden ereilen. Nehmt eure Freunde und Familie nicht für selbstverständlich. Es könnte das letzte Mal sein, dass ihr sie lebend seht. 

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